Dienstag, 30. Juni 2009

Erster voller Tag im Kloster

Nach einer kurzen, aber ausgesprochen stillen Nacht im bequemen Bett erwachte ich gut ausgeschlafen, die Sonne schien zu den Fenstern herein. Von 7 Uhr bis 9.30 Uhr hatte ich Zeit, mein Frühstück einzunehmen. Ich war heute einer der ersten. Auf dem Weg zum Kaffeeautomaten an der Theke lese ich den heutigen Kalender-Tagesspruch: Ein schöner Rückzug ist ebenso viel wert wie ein kühner Angriff. Ich muss lächeln; wie treffend!
Nach dem Frühstück ist ein erster von mehreren Inselrundgängen angesagt, der wegen des sich ständig wechselnden Morgenlichtes und der Ruhe zu Wasser und zu Land - ohne Besuchermassen - besonders genieße.
Mir ergeht es so wie vielen anderen: Ich kann nicht satt werden davon, jede veränderte Landschaftsstimmung mit den Alpen bzw. mit der Herreninsel im Hintergrund digital festzuhalten. Beim Herumstromern auf der Insel genieße ich den Einblick in wunderschöne Hausgärten, lasse mich auf einer der Bänke am Ufer nieder, genieße den Ausblick und treffe auf Gäste zu einem lockeren Gespräch. Nach einem anschließenden Schnupperbesuch des Klosterladens war der Vormittag schnell vergangen. Um 12 Uhr beginnt das Mittagessen mit einem Gebet, das eine Ordensschwester vorträgt. Das Essen ist reichlich und sehr schmackhaft.
Nach einer Siesta in meinem bei der derzeitigen Schwüle recht angenehm kühlen Zimmer, lese ich die Zeitung auf der Terrasse vor dem Aufenthaltsraum und mache mich auf dem Weg zum Klosterwirt. Ein Eiskaffee und die vielen Gäste waren jetzt genau das richtige Kühl- und Kontrastmittel für mich.
Im Anschluss hatte ich mir vorgenommen, mit Schwester Benedikta zu sprechen, die die wirtschaftlichen Fäden des Klosters zog. Ich hatte nämlich bemerkt, dass sich neben vielen Kurs- und Schulungsteilnehmern auch einzelne Helfer im Kloster aufhielten, die vorübergehend für Arbeiten einsprangen. Das interessierte mich. Vielleicht konnte ich mich ja in irgendeiner Weise auch einbringen. Das wäre auch grundsätzlich möglich, wie mir Frau Benedikta versicherte. Unterstützung neben praktischen Dingen wünschte sie sich aber vor allem bei der Steigerung der Mitgliederzahl im Freundeskreis der Abtei Frauenwörth, der durch das Ausscheiden älterer Mitglieder und durch den Wegfall von Förderern aus der Wirtschaft an Wirksamkeit eingebüßt hat. Und der Freundeskreis ist sehr wichtig für den Erhalt des Klosters. Es würde nicht nur mich freuen, wenn ich mit meinem Tagebucheintrag und dem Aufruf zum Beitritt ein wenig zur Mitgliederaufstockung beitragen kann. Einzelheiten über die Anmeldung und Mitgliedsachaft beim Freundeskreis der Abtei Frauenwörth sind auf der Kloster eigenen Webseite ersichtlich. Ich werde dem Freundeskreis beitreten und hoffentlich wieder als Gast hierher kommen können und dürfen, vielleicht aber auch als Saisonaushilfe.
Nach dem Abendessen nahm ich mir vor, die Ahnengalerie aller bisherigen zig Äbtissinnen im Kreuzgang des Konvents und deren Geschichte etwas genauer anzusehen als nur im Vorbeigehen auf dem Weg in die Kapelle. Ich verweilte bei der 37.sten mit Namen Maria Magdalena, bei der der Name auf dem Porträt nicht mit dem Namen auf der Liste an der Wand gegenüber übereinstimmte. Während ich so dastand und grübelte, kam – wie wenn sie meinen Hilferuf gehört hätte - Schwester Ignatia aus einer Seitentür auf mich zu und gab mir spontan einen interessanten geschichtlichen Abriss über diese für den Orden und die Nachwelt sehr bedeutsame Äbtissin, die den Konvent erfolgreich durch die schreckliche Zeit des 30- jährigen Krieges geführt und vor den herannahenden Schweden bewahrt hatte. Diese standen nämlich schon in Wasserburg und bereiteten sich zum Übersetzen auf die Insel vor. Um ihre Mitschwestern vor den grausamen Angreifern zu bewahren, ließ sie diese rasch auf die Festung Salzburg in Sicherheit bringen. Sie selbst aber blieb wie ein Kapitän auf dem zu sinken drohenden Schiff auf der Insel zurück und vertraute ihr Schicksal im Gebet dem hilfreichen Herzen Jesu an. Und tatsächlich: Schwere Überschwemmungen nach starken Regenfällen und tagelang anhaltender Nebel machten eine zerstörerische Besetzung durch die Schweden unmöglich. Wegen viel zu langer Vorbereitung von Flößen und einhergehender Versorgungsnot mussten sie sich unverrichteter Dinge zurückziehen. Vielleicht stießen sie gerade auch deshalb nie ins Österreichische vor. In jedem Fall aber war das Kloster gerettet. Ein weiterer Verdienst dieser außergewöhnlichen Frau war auch, dass sie über die Zeit ihrer Regentschaft genau Tagebuch führte und somit den begeisterten Historikern detaillierte Geschichtsdokumente lieferte. Es war also kein Zufall, dass ohne etwas von ihr zu wissen, ihre Darstellung auf dem Bild meine Aufmerksamkeit erregte? Auch ich schreibe wenn auch nur ein kurzes persönliches Kloster-Tagebuch und auch nicht von geschichtlicher Tragweite wie ihres. Noch lange beeindruckt vom Vortrag der Schwester überflog ich die Namen, Geschichtsdaten und vor allem die Abbildungen, der übrigen Äbtissinnen im Vorbeigehen, die mehrfach zusammengefasst auf einer Bildtafel im Gesichtsausdruck wie geklont aussahen wie mir Frau Ignatia auch vorher schmunzelnd verriet. Der Grund lag wohl darin, dass sich die Malerschüler den damaligen Auftrag mit dem Konterfeit aller Regentinnen wegen Zeitknappheit insofern erleichtert haben, indem sie ein Gesicht einfach auf viele andere kopiert haben. War also weiter nicht schlimm, sonst wäre wohl der Auftrag von der enttäuschten Auftraggeberin storniert worden. Denn sie wusste sehr wohl, dass es bestimmt nicht aufs Äußere und auf ein schönes Antlitz ankommt, um im Kloster und vor Gott sein Heil zu erlangen. – Dieser exklusive, packende und humorvolle Trip in die Geschichte hat mich nicht gereut. Anschließend war ich bis zur Dämmerung mit dem Fotoapparat auf einem Spaziergang um die Insel unterwegs, mit dem Ziel, schöne Bilder und vor allem einen wunderschönen Sonnenuntergang im Abendrot zu erhaschen. Aber den Gefallen tat mir heute die Sonne nicht, dafür hatte ich die Insel fast für mich alleine wie am Morgen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen